Ein Jahr Sommer

30 12 2011

Kurz vor Abfahrt.  Nun ist Weihnachten vergangen, Jonas und Wenke mit denen ich 2 schöne Wochen verbrachte sind auf dem Weg zurück nach Ecuador. Ja, es waren zwei sehr schöne Wochen. Als sie vor 2 Wochen ankamen, fuhr ich direkt nach der Arbeit zu ihnen und wir machten uns auf den Weg zum Indigena- Markt im Künstlerviertel  „San Antonio“.  Wir saßen oben über der Stadt und schauten der Sonne zu, wie sie langsam über der Stadt und dann hinter den Bergen verschwand. Glücklich fühlten wir uns, weil wir uns wieder sahen. Auf dem Weg zum Bus passierte uns leider etwas, das meine Haltung zu diesem Land verändert und meine Vorsicht bestärkt hat. Wir wurden von 2 Männern mit Messern bedroht und überfallen. Sie nahmen meine Tasche mit einigen Wertsachen mit. So ist das. Anfangs ist man überaus vorsichtig und irgendwann fühlt man sich sicher, wird risikofreudiger und dann holt einen die Realität ein. Für mich war das wichtig. Ich gehe jetzt mit einer anderenauf die Dinge zu, werde vorsichtiger sein, mit Skepsis, aber ohne Angst auf die Dinge zugehen.

Die Präsentation der „Pastorella“ (Krippenspiel) fand am Samstag den 17. Dezember statt und war ein Tag voller Euphorie, Adrenalin, Aufregung, Stolz und Freude. Schon am morgen fuhr ich mit Wenke und Jonas auf die Felder, zeigte ihnen alles, stellte ihnen mein lieblings Ziegenbaby vor, und wurden von Catalina auch schon heftig für die Vorbereitung der Feier eingespannt. Plötzlich war alles rappelvoll. Mittlerweile ist es so, dass ich viele Leute kenne, zu einigen Eltern auch einen guten Draht habe. Mich hat es mit Stolz erfüllt, so nah mit den Hauptdarstellern, unseren Muchachos zusammen zu sein, mit ihnen auf die Präsentation hinzufiebern. Ich stimmte mich flötentechnisch ein. Kis, Adriana, Catalina und ich halfen den Muchachos dabei sich umzuziehen. Dann ging es los. Ich begleitete die Präsentation mit der Querflöte und Gesang, Catalina spielte Gitarre und Anne Blockflöte. Die Muchachos performten und die Sonne schenkte uns goldenes Abendlicht. So muss es wohl in Betlehem auch gewesen sein 😉 😉 Die heiligen drei Könige waren zum schreien lustig, einer der drei war mein geliebter Felipe Castro und brachte eine echte Ziege mit auf die Bühne. Lustiger Weise sprach er dann auch wie eine Ziege es tun würde, erlernte sie die menschliche Sprache. „Vaaahhaaamaahoooss paaastoorreees“ – Zum umfallen komisch! Juan Camilo Ruiz, der José spielte wollte ununterbrochen die Bühne verlassen, also musste seine Maria ihn ständig wieder einsammeln, was sie sehr aufregte.

Wenke und Jonas fügten sich allem und noch schöner unterhielten, amüsierten sich. Der folgenede Tag veranstalteten Kis und Tutu einen Adventsnachmittag, an dem wir sangen und Flöte spielten, ich bin froh das sie den Glauben hier nicht so exzessiv ausleben, es ist mehr eine schöne familiäre und musikalische Atmosphäre, die entsteht. Am Montag machten wir uns auf den Weg zur Finca von Gunnar und Anne, meiner ersten Gastfamilie hier in Kolumbien. Der Weg war abenteurlich, zuerst mussten wir noch einkaufen, denn da oben gibt es gar nichts. Dann fuhren wir bis an die Portada del Mar am Rande der Stadt, die über die Berge irgendwann zum Pazifik führt. Von daaus nahmen wir einen der alten, bunten kolumbianischen Busse und fuhren bis nach Felidia, ein Dorf in den Bergen. Dorf riefen wir einen Jeep an, der uns dann bis zur alten Finca brachte. Wir fuhren vorbei an armen Häusern, die von indigeneren Stämmen bewohnt werden, als man es aus Cali kennt. Oben angekommen begannen wir das Haus auszukundschaften. Die vielen Zimmer aus Holz, die Küche, wir bestückten Weinflaschen mit Kerzen, um später in der Nacht Licht zu haben. Um das Holzhaus herum befindet sich eine Veranda, die einem einen Blick hinunter auf Wolken, Täler, Kühe, Häuser und auf das einfache NICHTS bietet. Wir verbrachten die Tage auf der Finca damit zu kochen, zu essen, zu lesen, zu musizieren, zu schreiben, zu reden, zu schlafen.. Ich bastelte die meiste Zeit an den Weihnachtsgeschenken für meine kleine kolumbianische Familie. Sehr seltsam war es an so einem neutralen Ort zu sein, ich vermisste Cali ebenso wie Deutschland. Als wir nach 5 Tagen der Ruhe nach Cali zurück kehrten fiel mir am meisten der Abgasgeruch auf. Als ich zu Hause ankam, erfuhr ich, dass Tutu und Matias eine Grippe erwischt hatte und Matias mitten in der Nacht ins Krankenhaus musste, weil sein Fieber nicht wich. Für die Eltern war das sehr aufreibend. Trotzdem konnten wir Weihnachten sehr genießen. Ja, wie anders und doch gleich es war, wie zu Hause in Deutschland. Die Atmosphäre ist wohl überall familiär, weihnachtlich gemütlich. Auch wenn bei uns weihnachtlich gemütliche 30 Grad herrschten und ich die heilige Nacht nicht schlafen konnte vor Hitze. Jonas, Wenke und ich musizierten für die Familie, sangen  3 stimmig „Maria durch ein Dornwald ging“ und spielten dazu Klarinette, Querflöte, Scharango und Blockflöte…

Nach Weihnachten begann in Cali die Feria, die mich leider sehr enttäuschte. Zwischen durch fühlte ich mich wie auf dem Kölner Karneval. Menschen kommen zusammen, präsentieren sich und geben sich bis zum Absturz die Kante. Das einzige was mir das bringen könnte wäre ein tödlicher Kater. Der Salsaumzug jedoch war toll. Viele Tanzgruppen zogen mit Live-Konzert durch die Straßen. Ihre Kostüme und wahnsinnigen Tanzfähigkeiten beeindruckten doch schon ziemlich. Die folgenden Tage tanzten wir mit Tutu und Kis, waren in meiner Lieblings Salsa Bar „Tintindeo“, kochten zusammen, und erfreuten uns am Sommer.

Morgen  beginnt meine Reise in die Karibik. Ich fahre alleine mit einer sicheren Busgesellschaft nach Bogotá und von dort mit einem sicheren Taxi zum Hostel, dass ich sicherheitshalber schon anrief. Das wird sicherlich sicher sein! Mir wird also nichts passieren J Einen Tag verbringe ich alleine in Bogotá, Abends, pünktlich zum Jahreswechsel kommt dann Fred. Am Sonntag werden wir uns womöglich in den Bus nach Santa Marta setzen.

Ich denke an euch. Ganz besonders an meinen geliebten Opa Erich. Er soll sich ozeanisch groß gedrückt fühlen.

Zoe



Qué bonita es esta vida!?

23 12 2011

Navidad. Amigos. Trabajo. Familia.

Es gibt soviel zu sagen, manchmal verliere ich fast den Überblick über Ereignisse, Erfahrungen, Gefühle und Gedanken..

Beginnen wir bei „Navidad“. Kaum vorzustellen ist wahrscheinlich, dass ich trotz der Hitze und dem kolumbianischen Leben in Weihnachtsstimmung bin. Natürlich gibt es keinen Weihnachtsmarkt mit Glühwein, Adventskalender mit schönen Kleinigkeiten (Danke Mama) und Schnee. Aber die kolumbianische Weihnachtsstimmung erfüllt mich hier auf eine spirituelle Weise sehr. Im Projekt haben wir alle zusammen einen Adventskranz gebastelt, jeder Muchacho durfte einen Zweig befestigen und sich dazu ein Lied wünschen. Die Kolumbianer kennen mehr als 30 Weihnachtslieder, ein paar kann ich schon singen und auf der Blockflöte spielen 😀 Meine gesammelten Waldorferfahrungen kommen also wieder zum tragen. Und das macht mich glücklich. Meine Kindheit begann antrophosofisch und endet mit dieser. Und wer weiß, vielleicht wird sie mein weiteres Leben ebenso prägen. Ich fühl mich in meinem Projekt sowohl, der morgendliche Vers, das Blockflöte spielen, das Singen, die Eurythmie, das Arbeiten mit dem Jungen mit Autismus, die Arbeit auf dem Feld, das erarbeiten von Büchern aus Aquarellpapier, die Vorbereitung des Essens, alles ist in einen alltäglichen, aber so wohltuenden Fluss gekommen. Ein Routine, auf die man sich verlassen kann, in der man wachsen kann, die Vertrauen schenkt, einen auch selbst Dinge entwickeln lassen läßt. Auch ist die Routine wichtig für die Muchachos, jeden Morgen wiederholen wir mit ihnen, was der Tag bringen wird, und Nachmittags finden sich alle zusammen in der „Retrospectiva“ wieder, in der jeder einzelne seinen persönlichen Tagesablauf wiederholen muss. Das klappt bei einigen besser, bei eingen schlechter. Einerseits ist dies wichtig, um ein Gefühl von „Ich“ zu erlangen, zu wissen, welchen Platz man in seiner Arbeit hat, aber auch um die Gedanken zu schulen und Gedankengänge zu erweitern.

Ein Tag in Tarapacá.

1.)Ankunft

2.) Klar schiff machen des Geländes, Tische decken, das Frühstück   vorbereiten

3.) Morgenrunde –> Eurythmie, Morgenspruch, Aufsagung des Datums, Blockflöte, Gesang, Überblick über den Tag

4.) Frühstück

5.) Landwirtschaft bestehend aus dem was gerade anfällt. (Bearbeitung von Soya, Tomaten, Hibiskus, MAIS, Bohnen, Linsen, Amarandt, Milch zu Käse, Mehl und Zutaten zu Brot, etc.) – Für mich- Arbeit mit dem Jungen mit Autismus

6.) Eine Stunde Klasse mit der jeweiligen Epoche

7.) Mittagessen

8.) Pause – Für mich: 3 Mal die Woche Fußbad mit Rosmarin und Salz, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen, mit Juan Camilo Ruiz

9.) Kunst/Chor/Stricken, oder leichteres Arbeiten mit Wolle/für einige Gitarrenunterricht

10.) „Retrospectiva“- Mündliche Wiederholung des Tages + eine Frage über den Tag, die zum Nachdenken anregt. Bsp.: „Was hat dir am besten Gefallen“?

11.) Abschlussrunde mit Vers, Gesang

—> Dafür Sorge tragen, dass alle vor der Busfahrt auf Toilette gehen, teileise Begleitung geben.

Und ab nach Hause..

Meine Erfahrungen mit den verschiedenen Muchachos und ihren Spezialitäten, so nenne ich es liebevoll, prägt mich sehr. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich jeden einzelnde Umarmung Juan Camilo’s erwiedern. Er hat das Down-Syndrom und umarmt mich ungefähr einmal pro Minute. Er ist in meinem Alter, dass vergesse ich immer wieder, weil er so hilfebedürftig ist. Aber er kann soviel. Vorallem kann er mich zum Lachen bringen, wenn er gerade mal wieder den Korb mit den Wachsmalkreiden in den Garten geworfen hat, sich kaputt lacht, dann schreiend vor lachend aufstegt und jede einzelnde Kreide wieder aufhebt. wenn er selbiges mit seinem vollgeladenen Teller während des Mittagessens macht, aber nur lachend sitzen bleibt, dann ist das weniger lustig. Dann sage ich Maestra Zoe: Juan Camilo, levántate, vas a lavar el suelo. Dale pues!“ – Juan Camilo, du wirst jetzt den Boden putzen, aber schnell. Dann laufen wir gemeinsam zum Schuppen, holen das Putzzeug und er darf nicht weiter essen. Beim Nachtisch ist er dann schon wieder ganz dabei. Auch begleite ich ihn auf die Toilette und musste ihn schon das eine Mal im Garten mit dem Schlauch duschen, weil er in die Hose gemacht hatte. Und für mich ist es nun das normalste der Welt Verantwortung für jemanden zu übernehmen und ihn den ganzen Tag zu begleiten. Me lo encanta. Ich liebe es.

Nicht nur in Tarapacá spüre ich die weihnachtliche Spiritualität, auch in der Familie ist es besinnlich. Jeden Adventssonntag sitzt man im größeren Rahmen zusammen, es werden Märchen erzählt, es wird gesungen und gegessen.

Am Donnerstag kommen Jonas und Wenke, ein befreundetes Pärchen aus  Berlin, die gerade drei Monate auf verschiedenen Höfen in Ecuador verbracht haben. Sie werden im Barrio „Granada“ leben, das in der nähe von meinem zu Hause liegt und am Samstag zu unserer Präsentation des Krippenspiel’s in Tarapacá kommen. Das müsst ihr euch vorstellen. Die Muchachos spielen die Geburt Christi, sie singen, performen schauspielerisch und spielen Flöte. Es ist unglaublich witzig und interessant, wie sie in die verschiedenen Rollen schlüpfen, wie sie sich dort hineinfinden. Einige sind sehr aktiv dabei, andere, die schwerere Behinderungen haben, freuen sich einfach des Gruppengefühl’s. Am Sonntag wird die Adventsfamilie in meiner kleinen kolumbianischen Familie gefeiert, und Wenke und Jonas sind herzlich dazu eingeladen. Die darauf folgenden Tage bis zum heiligen Abend verbringen wir auf der Finca, die der Familie gehört, die mich und Marlene liebenswürdigerweise die ersten zwei Wochen meines Kolumbiendaseins, aufgenommen haben. 5 Tage ohne Strom, in einem großen Haus am Fluss, umgeben von den Anden. Ich werde meine Malsachen einpacken, meine wieder täglich bespielte Querflöte. Ich freue mich auf Ruhe, endlose Natur und insgesammt auf 4 Wochen Ferien. Zu Weihnachten werde ich zu meiner kolumbianischen Familie zurück kehren, auch zur großen Feria Cali’s, die Konzerte, Feierlichkeiten und Aktionen in der ganzen Stadt mitsich bringt. Qué rico! Am 29.Dezember fahre ich nach Bogotá und treffe dort einen lieben Freund aus Deutschland. Wir werden über Silvester in Bogotá bleiben und anschließend mit dem Bus in die Karibik fahren.