GRENZ-(über)GANG – La luz de Ecuador es amarilla
22 07 2012Meine lieben leser,
Ecuador verzückte mich mit seinen gelben Sonnenuntergängen. Am 30. Juni machten sich eine Deutsche und eine Kolumbianerin auf die Reise nach Ecuador. Laura lernte ich im Dezember in Cali kennen, besuchte sie vor wenigen Monaten in Bogotá, wo sie Kunst studiert. Für die Ferien kam sie in ihre Heimat Cali und wir beschlossen, uns auf die Reise abwärts zu begeben. Um 9.30p.m trafen wir uns am Terminal Cali und setzten uns in den Bus nach Ipiales, von wo aus man die Grenze überschreiten kann. Welch seltsames Gefühl Kolumbien das erste Mal nach 10 Monaten zu verlassen. Von Ipiales aus ging es per Autostop nach Túlcan, von dort aus nahmen wir den Bus nach. Am Sonntag Abenerreichten wir in Quito. Dort gedachten wir in einer kleinen Waldorfschule zu übernachten, man hatte uns jedoch noch nicht zugesagt. Da wir Abends kein Hostel in Quito suchen wollten, nahmen wir den Bus nach Cuenca und saßen somit 34 Stunden am Stück im Bus. Ich fühlte mich herrlich, auch Laura schien der Espíritu der Reise gepackt zu haben und sie wirkte entspannt. Auf der Reise lasen wir Kurzgeschichten von Gabriel García Marquéz, langsam finde ich Verständnis und Leidenschaft für seine einzigartige Literatur. Wir rauschten durch unterschiedliche Klimazonen und Landstriche, begeistert von der Vielfältigkeit des Landes und seiner Flora. Am Morgen des Montags reisten wir zwei beide in Cuenca ein. Auch ein Grund für dieses Ziel, war mein lieber Freund Max, der mich zuvor 5 Wochen in Cali besucht hatte. Ich hatte ihm kommuniziert, dass ich nach Cuenca kommen würde, er genoss seine letzten Tage in Ecuador jedoch ohne Mailchecking. Ich schrieb ihm also, dass wir uns in Cuenca in einem Hostel befinden und ihn erwarteten, beziehungsweise auf der Suche nach seinem zu Hause sind. Er überraschte uns im Hostel und wir zogen ins „Casa Sucre“. Das Casa Sucre ist ein altes Herrenhaus im Kolonialstil und erinnert an ein großes Museum. Es besitzt viele Zimmer, die allesammt von gemalten Vögeln beflogen werden, im Zentrum des Zimmers befindet sich das Himmelbett. Die Idylle drückte sich nicht nur in der Schönheit des Ortes, sondern auch im harmonischen Zusammenleben der Bewohner aus. Max lebte dort mit einigen Weltenbummlern zusammen, die sich in Cuenca eine Weile niederließen. Wir verbrachten kulturell austauschende, musikalisch gemischte Abende, kochten zusammen und fühlten uns in der Gruppe gut aufgehoben. Für mich war es einzigartig in Max Leben hineinzuschnuppern, da er zuvor 5 Wochen in Cali war, wir zusammen tanzen gingen, er mich nach Tarapacá begleitete und somit mein Leben hier kennen lernte. Auch ich hatte die Ehre seine Fundación kennen zu lernen, die sich um die Kinder der Verkäufer vom Markt bemüht. Die indigenen Kinder sind stark, robusst und auch etwas schwierig zu händeln. Max bewieß Gelassenheit und Empathie und mit diesen Fähigkeiten einen guten Weg ihnen zu begegnen. Max flog am Donnerstag zurück nach Deutschland. Laura und ich blieben noch einen Tag, genossen die Friedlichkeit und Ruhe Cuencas und das kulturelle Leben. Jeden Tag spielten wir eine Stunde an der Ampel POI und CONTACT und finanzierten uns damit die gesammte Reise. Die Leute freuten sich über die kleine Runde Kunst während des Wartens an der Ampel und unterstützten uns scheinbar mit Freude mit ein paar Münzen. Zu diesem Thema gibt es sicherlich verschiedene Ansichten, man könnte meinen, dass es schmarotzerisch ist. Aber da wir täglich nur eine Stunde arbeiteten und Niemanden an der Ampel verdrängten und zudem eine sehr positive und interessierte Rückmeldung erhielten, ging es mir gut damit. Dieser Stil des Reisens macht unabhängig, die Frage zur Moral bleibt offen.
Von Cuenca machten wir uns auf nach Banos, einen Ort in den Bergen, der viele Attraktionen wie Wasserfälle, Vulkane und Thermale zur Schau stellt. Wir entspannten uns dort einen Tag, badeten mit einem Haufen Ecuatorianern in den Bädern am Wasserfall und befanden uns einen Tag später im Amazonas. Ich fühlte mich verwirrt und der Klimawandel bereitete mir Kopfschmerzen. Da froren wir in Banos zwischen vielen Touristen in Mitten von Bergen und schwitzen im nächsten Moment im Urwald am Amazonas. Zwischen den beiden Orten liegen gerade mal 4 Stunden. In Tena nächtigten wir in einer billigen Pension und fuhren am nächsten Morgen nach Misuallí. Dort fanden wir Affen am Strand des Rio Napo vor, der Fluss Napo feßt weiter östlich in den Amazonas. Ein freundlicher Herr führte uns durch die Selva (den Urwald), kletterte auf Bäume um uns eine süße rote Banana probieren zu lassen, klärte uns über die Heilkräfte des Urwaldes auf. Wir spazierten durch den Urwald, lauschten den unglaublichen Geräuschen der Vögel und gelangten letztendlich an einen 600 Jahre alten Baum, der einen Durchmesser von mehr als 6 Metern besitzt. Wir „spazierten“ um den Baum herrum und genossen die tropische feuchte Luft und das warme Klima nach der Kälte in Banos. Am Abend nahmen wir einen Bus nach Quito und wurden dort von Moises, einem indigenen Schulleiter der kleinen Waldorfschule, am Terminal abgeholt. Ich kannte ihn nicht persönlich. Catalina, eine Lehrerin meines Projektes schaffte den Kontakt für uns. Die Gastfreundschaft stieg ins Unermessliche. Moises gab uns Brot und Tee und räumte für uns das Ehebett. Wir schliefen tief und fest nach 2 aufrgenden Tagen. Am nächsten Tag begleitete uns Moises zur kleinen Waldorfschule, die ca. 40Min außerhalb der Stadt Quito in den Bergen liegt. Die Schule befindet sich in einem kleinen Garten voller Obstbäume und erinnert an einen Märchenspielfilmort. 60 Kinder besuchen die Schule, die noch im Aufbau ist. Der 30 jährige Adrián lebt dort oben mit seinem kleinen Sohn Kenny und stellte uns für einige Tage sein Gästezimmer zur Verfügung. Er schien es zu lieben seine Gäste zu verwöhnen, jedenfalls bekochte er uns und wir wurden somit Morgens von dem Geruch frischer Maisfladen, Pfannekuchen oder Vollkornbrot geweckt. Wir spazierten durch das Bergdorf, wo viele Indigene mit ihrer Großfamilie und ihren Tieren leben und genossen die frische Bergluft, sowie den Blick auf zwei Nevados (Cotopaxi). Lauris und ich fuhren in die Stadt und spielten eine Runde an der Ampel, besichtigten dann das historische Zentrum und stürmten wie in jeder besuchten Stadt den Mercado, um die Geschmäcker und Gerüche der Stadt einzunehmen und einzuatmen. Dank Jonas und Wenke, Freunde aus Berlin, die mich im Winter in Cali besucht hatten und mir ihre Quitokarte + Tipps hinterlassen hatten, fanden wir ein vegetarisches Restaurant, in dem wir zu Mittag aßen. Wir besuchten das Kunstmuseum der Modernen Kunst, dass Themen zu behandeln schien, die junge Künstler in der ganzen Welt zu beschäftigen scheinen.
Vom schönen Quito aus machten wir uns auf den Weg nach OTAVALO. Otavalo steht unter einem bestimmten Recht der Humanität, daher darf jeder Otavaleno ohne Visa in die ganze Welt ziehen. Mich verblüffte der starke indigene Einfluss der Stadt Otavalo, die Bewohner bleiben ihrem traditionalen Kleidungs- und Lebensstil im weiten Sinne treu. Die Frauen tragen z.B Wualkas, goldene Perlenkette, die jeh nach Menge der Perlen/Ketten den finanziellen Stand der Familie anzeigen. Die erste Nacht nächtigten wir unten am „Plaza de los Ponchos“, wo sich der große Artesaníamarkt befindet und genossen die Abendstimmung auf dem vor Ernergie sprühenden Platz. Später am Abend lernten wir einen Haufen Musiker, Artesanos und Künstler kennen und verbrachten mit ihnen die abendlichen Stunden. Es wurden Andinaflöten, Charangos und Gitarren ausgepackt und gesungen. Es wurde jongliert und Einrad gefahren. Kaum zu glauben, nach 11 Jahren beherrsche ich das Einradfahren noch. Ich muss zugeben, dass mich das Klima der Artesanos und Musiker nicht direkt in seinen Bann zieht, auch bevorzuge ich, mich nicht hemmungslos zu betrinken, sondern die Stiummung nüchtern wahrzunehmen. Ich verhalte mich plötzlich schüchtern und beobachtend, was ich nicht von mir kenne. Ich habe plötzlich nicht mehr das Verlangen mich zu präsentieren, von mir zu berichten. Letztendlich kristalisierten sich jedoch ein paar sehr nette Personalitäten heraus. Felipe, ein Chilene beherrscht jede Andinaflöte und auch den Tanz dazu, Diego spielt Gitarre und singt dazu Reagge. Am nächsten Tag zogen wir zu einer indigenen Familie in die Berge außerhalb von Otavalo und verbrachten die Abende mit der Familie und Felipe und Diego. Laura und ich lernten uns zunehmend besser kennen, berichteten uns von Kindheit, Jugend und Träumen. Vorallem genossen wir aber unser Glück, so tolle Menschen treffen zu dürfen und mit ihnen Momente zu genießen. Die indigene Familie, mit der wir lebten, wurdedieser Tage zu einer Hochzeit eingeladen. In ihrer Kultur läuft das ganze folgenermaßen ab. Der Mann fordert die Frau auf ihn zu heiraten, indem er mit all seinen Verwanten und Freunden, sowie Meerschweinchen, Schweinen, Rind und anderem toten Tier, Gemüse, Obst und warme Speisen zu ihrem Haus maschiert. Mit diesen Gaben zeigt er seinen Reichtum, seine Macht. Willigt die Frau ein, findet ein 3 tägiges Fest statt. Zuerst wird bei der Braut und anschließend im Hause des Bräutigam gefeiert. Eine große Rolle dabei spielt, das beste Fest auszurichten, um seine persönliche Ehre zu vertreten. Die Familie des Hostels besuchte eine dieser Hochzeiten und spät in der Nacht, wir saßen am Feuer, tauchte der 7 jährige Sohn auf, um Felipe und Diego zu holen, damit sie seinen betrunkenen Vater nach Hause holen. Als der Vater heimkehrte, bzw. „heimgekehrt“ wurde, wurde er furchtbar wütend und schlug auf seine Frau ein. Seine Wut lag darin begründet, dass er ärmer als seine Schwester sei. Der 7 jährige Sohn kauerte weinend und schreiend in einer Ecke, sich die Ohren zu haltend. Am nächsten Morgen verlor kein Mensch ein Wort über das Geschehene. Doch die Gesichter der Familienmitglieder erzählten die Geschichte der Nacht. Der Vater hatte eine vom Alkohol gerötete Nase, der Sohn vom Weinen gerötete Augen, die Mutter ein vom Schlag gerötetes Gesicht.
In der Nähe unseres Hostels befand sich ein Eukalyptuswald und Laura und ich nahmen uns einen Tag, um diesen zu erforschen. Wir badeten im Wasserfall, kletterten durch eine Grotte, um an einen weiteren, unbekannteren Wasserfall zu gelangen. Das beobachten des Wasserstroms festigte sich zum Sinnbild meiner Reise. Ein starker Strom an Energie, mit voller Power ins Leben.
Vom im Grunde so idyllischen Otavalo machten wir uns per Anhalter auf,zur nördlichen Küste Ecuadors und wollten dort die letzten Tage unserer Reise verbringen. Wir reisten fast den ganzen Tag und kamen am Abend an der Küste des Pazifiks an. Wir spazierten den Strand entlang, erfreuten uns am Sonnenuntergang und verbrachten eine Nacht in einem Zimmer am Strand. Begleitet wurden meine Träume von heftigen Regenschauern und des Grunzen eines Schweines, dass unser einziger Nachbar zu sein schien. Am nächsten Morgen machten wir uns statt an der Küste zu bleiben auf nach Pasto in Kolumbien und verbrachten dort mit kolumbianischen Heimatgefühl unseren letzten Reisetag. 3 Wochen. 21 Tage. Millionen Momente, die Grundlage schaffen für eine lebenslange Verbindung zwischen mir und Laura.
Heute Morgen kehrten wir nach Cali zurück. Ich überraschte Kis, Tutu und Matias. Kis sprang vom Frühstückstisch auf und umarmte mich stürmisch. Ein so wahnsinnig warmes Wiedersehen rief wiedermals die Erkenntnis auf in Cali ein zweites zu Hause gefunden zu haben. Ich werde noch oft nach Cali zurück kehren.. Ein Stück von mir ist nun hier.
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